St. Bartholomäus Pfarrkirche in Verne

Die altehrwürdigen romanischen Pfarrkirchen von Boke, Hörste, Thüle, Verne und Delbrück, von denen die drei ersten die ursprüngliche Basilikenform noch weitgehend sichtbar bewahrt haben, während die verwandten Anlagen in Verne und Delbrück stärker verbaut sind, bilden eine Einheit. Sie gleichen sich in dem schlichten Grundriß, in der ursprünglich querschifflosen Anlage und vor allem in dem Stützenwechsel von Pfeiler und gekuppelten Säulen so sehr, dass sie als das Werk desselben Baumeisters angesprochen werden können. Die wuchtige Schwere des Mauerwerks und erst recht der klotzige, quadratische Westturm in typisch westfälischer Bauart geben diesen Basiliken den Charakter von unverwüstlichen Gottesburgen. Es sind lebendige Zeugen christlicher Glaubensübersetzen treue im Mittelalter.

Die ein wenig von der Dorfstraße abgesetzte, auf einer hügelartigen Erhebung gegründete Pfarrkirche in Verne ist eine romanische Gewölbebasilika aus dem 12. Jahrhundert. Drei zur Behebung der Raumnot in der wachsenden Pfaugemeinde durchgeführte Bauperioden haben das alte romanische Gotteshaus in eine unregelmäßige Hallenkirche umgestaltet. Zum ältesten um 1200 erbauten Teil gehört das Langhaus, das in seinem basilikalen Grundriss mit seinen zwei überwölbten Jochen und dem Stützenwechsel von Pfeiler und Doppelsäulen eine auffallende Ähnlichkeit mit Boke und Hörste erkennen lässt. Die Länge des Innenraumes bis zum Chor beträgt 26,80 m. Das zweijochige Mittelschiff von 3,80 m Breite ist ungewöhnlich schmal. Der besonders niedrig gehaltene, querschiffartige Westbau trägt über der Mitte den achteckigen, zweigeschossigen Turm. Die rundbogigen Arkaden, die Säulenschäfte und die vierteilig gespaltenen Würfelkapitelle sind roh ausgeführt, was die Altersbestimmung erleichtert. Die Doppelsäulen in den rundbogigen Arkaden gleichen in ihrer Ausführung denen in Ecke und Hörste, wirken aber noch roher und plumper. Wie in der Kirche zu Boke verschwinden auch hier die romanischen Basen der Säulen in dem später höher gelegten Fußboden. Die Schäfte der Säulen sind unregelmäßig geformt Mittelalterlich ist auch das quadratische Chor, das nach dem Neubau des jetzigen Chores nur noch als Sakristei dient. Außerdem gehören zur mittelalterlichen Anlage noch der Westbau und das nördliche Seitenschiff von 2,60 mBreite, das wie in Hörste eine Apsisnische aufweist.

Das südliche Seitenschiff dagegen ist im zweiten Bauabschnitt im Jahre 1655 durch einen 3 Joch langen Neubau von 7,50 m Breite ersetzt worden, der sich an das Mittelschiff anschließt und rnit der Außenseite des Chores und mit dem Turm abschloss. Jedes Joch erhielt ein senkrecht gegen das Mittelschiff gesetztes Dach. Dieser gotische Anbau wurde doppelt so breit angelegt wie das Mittelschiff. Der Turm blieb nur in seiner Basis im Original erhalten, Während der Mittelbau und der Helm achteckig aufgeführt wurden Der Turm war noch 1655, das Mauerwerk des Südschiffes am 29. 1. 1556 fertig. Dieser Neubau, der von dem Steinmetzen Andreas Fischer ausgeführt wurde, war von dem Dompropsten Johann Wilhelm Freiherrn von Syntzig eifrig gefördert worden. Fürstbischof Theodor Adolf (1650—4661) nahm am 27. 8. 1656 die Weihe der 4 Altäre vor. Diese Altäre waren: Der Hochaltar im neuen Südschiff, dem Patron St. Bartholomäus geweiht, der Jodokusaltar an der Stelle des früheren Hochaltares, der Joachim- und Anna-Altar, kurz Annenaltar genannt, und der Muttergottes- und St. Josefs-Altar. Der Name St. Josef war aus der Kapelle übernommen, geriet aber ganz in Vergessenheit, als im Jahre 1670 der neue Muttergottesaltar in der Pfarrkirche in den Mittelpunkt rückte. Die Geldmittel für diese Um- und Neubauten flossen aus den Spenden der Wallfahrer der „Großen Liebfrauentracht“. Der zweiten Bauperiode gehört auch das zum Treppenhaus führende, von Säulen besetzte rundbogige Portal im Renaissancestil an. Das beweist die Inschrift am Fries: Marlae DelgenltrlCls obLatlone. Das Chronostichon ergibt die Jahreszahl 1656.

Der wegen des nach dem Siebenjährigen Kriege verstärkt einsetzenden Zustromes von Pilgern notwendige zweite Erweiterungsbau begann im Jahre 1772 unter der Förderung des fürstbischöflichen Landesherrn Wilhelm Anton von Asseburg (1763—1782) der ein eifriger Verehrer des Gnadenbildes „Consolatrix Afflictorum“ war. Als die Pilger in Scharen das Gotteshaus umlagerten, ließ der Bischof als eine Art Notlösung zunächst auf dem Kirchhof hinter dem Hochaltar eine mit der Pfarrkirche zusammenhängende Holzkapelle errichten, die den Namen „Heimsuchung Mariae“ erhielt. Sie war an die Ostwand der Kirche angelehnt. Hier wurden vor allem an den Marienfesten Mariä Heimsuchung und Mariä Himmelfahrt noch Spätmessen abgehalten. Darm ließ der bischöfliche Gönner das südliche Seitenschiff der Kirche durch einen nach Westen laufenden Erweiterungsbau von 2 Joch Länge vergrößern. Dieses sehr breite Schiff mit den Giebeldächern über den nunmehr 5 Jochen gibt dem Südschiff den Charakter eines Hauptschiffes und der Kirche auf der Südseite eine rein gotische Ansicht. Der Haupteingang an der Westseite mit der Inschrift vom Jahre 1656 wurde versetzt. Der Turm war nun im Süden und im Westen zugebaut. Dieser zweite Bauabschnitt konnte erst nach dem Tode des Mäzens im Jahre 1784 beendet werden. Am Schlußstein des Gewölbebogens erinnert das. Asseburgische Wappen an den Bauherrn, dem zu Ehren außerdem eine Weihetafel angebracht wurde.

Der dritte Erweiterungsbau wurde in den Jahren 1901 bis 1903 durchgeführt. Da eine Erweiterung nur nach Osten möglich war. wurde dort, wo sich die Heimsuchungskapelle an die Ostwand anlehnte, ein neuer Chor geschaffen. Nun war aber die Gerkammer nur auf einem Umweg durch die Kirche zu erreichen. Deshalb wurde gleichzeitig eine neue Sakristei an der Ostwand errichtet und durch einen Gang hinter dem Chor mit dem neuen Chor verbunden. Dieser vieleckige Chor mit den schlanken Türmchen will zu der alten schlichten Dorfkirche wenig passen. Nachdem die Kirche im Jahre 1867 einen gotischen Hochaltar, 1872 den Taufbrunnen aus französischem Sandstein und 1878 eine neue Kanzel erhalten hatte, wurde im Jahre 1899 der niedrige romanische Westeingang durch ein geräumiges Portal ersetzt. Durch diese mehrfachen Um- und Anbauten hat das alte romanische Gotteshaus von 1200 im Süden ganz den Charakter einer gotischen Dorfkirche erhalten, während die lnnenansicht an eine unregelmäßige Hallenkirche erinnert. Damit hat die ursprünglich stilechte romanische Basilika, viel von ihrem kunstgeschichtlichen Wert eingebüßt.

Von der Innenausstattung des Gotteshauses, das ganz den Charakter einer Wallfahrtskirche trägt, ist außer dem Hochaltarbild, einer Kreuzigung von Johann Georg Rudolphi (um 1670), der barocke Muttergottesaltar kunstgeschichtlich bemerkenswert. Er trägt in seinem tabernakelartigen Aufbau eine mehrfach überarbeitete bekleidete Sitzmadonna aus der II. Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Silberne Altargeräte und eine große Zahl von Weihegeschenken in Augsburger Arbeit aus dem 18. Jahrhundert erinnern an die von den Fürstbischöfen Ferdinand II. von Fürstenberg und Wilhelm Anton von Asseburg geförderten Wallfahrten zum Gnadenbild „Trösterin der Betrübten“. Hier sind zu nennen:

Mehrere Ampeln, gestiftet in den Jahren 1745 bis 1783 mit dem Augsburger Zeichen ED versehen, ferner silberne Meßkännchen von 1774 und Ölgefäße aus dem Jahre 1706. Eine silberne Platte vom Jahre 1759 zeigt einen Altar mit dem Marienbild, darunter kniet die Familie des Hermann Werner von Asseburg. Die Inschrift lautet: „Consolatrix Afflictorurn“. Bemerkenswert ist eine romanische Madonna aus Holz, 0,50 m hoch, aus dem 13. Jahrhundert. Eine aus Eichenholz verfertigte und mit Eisen beschlagene Truhe westfälischer Bauart zeigt die Jahreszahl 1500.

An der Außenseite der Südwand des neuen Chores steht ein Steinrelief vom Jahre 1769, das wohl als eine rohe Nachbildung der Madonna im Muttergottesaltar anzusprechen ist.

Leider sind die beiden ältesten Glocken von 1681 und 1686 nicht mehr erhalten. Die erste trug das Wappen der Familie von Fürstenberg und die Namen des Pfarrers Hermann Hartbaurn und des Kaplans Christoph Embsmann. Die zweite war die Muttergottesglocke und zeigte in einem Strahlenkranz die Himmelskönigin. Erhalten ist die dritte aus dem Jahre 1729. Ihre Inschrift lautet: In honorem S. TrinitatisbeataeIm. V. Mariae atque sancti Bartholomaei ecclesiae patroni parochiae Vernensis … me refundi fecit. 1729 Pfarrer Henricus Caute. Nach dem Bericht der Gemeindechronik mußten im Jahre 1917 eine Glocke und im Jahre 1942 4 Kirchenglocken abgeliefert werden. Im Jahre 1947 erhielt die Pfarrkirche folgende 4 neue Glocken: Die Marienglocke, 13 Ztn., die Bartholomäusglocke, 9 Ztn., die Agathaglocke, 7 Ztn. und die kleine Glocke, 80 Pfd. Seit 1954 wird das Läutewerk elektrisch getrieben.

Da die Adeligen von Krewet auf Vernaburg seit alter Zeit als Obertemplierer in einem besonderen Patronatsverhältnis zur Pfarrkirche standen, gingen ihre Privilegien auf ihre Erben, die Familie von Brenken, uber, obwohl die Herren von Brenken nicht auf der Vernaburg resrdrerten. Noch heute ist der Majoratsherr des Hauses Erpernburg Ehrenritter des Verner Gnadenbildes, und bis in die jüngste Vergangenheit besaß die Familie von Brenken die Gerechtsame von 3 Kirchenbänken und früher auch das Beerdigungsrecht in der Pfarrkirche, wovon sie aber keinen Gebrauch gemacht hat. Heute ist noch eine Kirchenbank mit dem Brenkenschen Wappen in der Kirche zu sehen.

Quelle: Stadt und Amt Salzkotten, Westfalen-Druckerei Ed. Schöningh KG, Paderborn 1970